Manche Erkenntnisse muss man erst erlebt haben, um selbst draufzukommen. Ich war den größeren Teil meines Lebens ein Familienvater, wie er durchschnittlicher nicht sein könnte. Ich habe die erste Frau geheiratet, die ich als hübsch und begehrenswert empfand, und daran hat sich dann drei Jahrzehnte lang nichts geändert. Ich kannte also nichts anders als Familienleben und eine Hausfrau, die ständig zu Hause war und niemand um Urlaub betteln musste, damit wir ein paar Tage wegfahren konnten.
Ich war sozusagen einer der letzten Vertreter eines Lebensmodells, das mittlerweile schon fast ausgestorben ist. Denn die Welt ist eine andere geworden, als sie es in den 1970er Jahren einmal war. Beziehungen laufen heute anders und die klassische Ehe ist fast schon ein Auslaufmodell. Auch ich musste mich neu orientieren, als irgendwann die Kids aus dem Haus waren und kurz darauf auch die Ehe ihr Ende fand. Von den Gründen soll hier nicht die Rede sein. Aber von dem, was eingespielte Gewohnheiten im Kopf eines Mannes auslösen.
Das Smartphone gab es damals noch nicht. Aber es gab schon Online-Dating. Also meldete ich mich auf allen Plattformen an, beschrieb mich als einen Mann, der eine Frau für eine ernsthafte Beziehung sucht …
… und traf auf Frauen, die eigentlich nur einen Kerl fürs Bett und die Freizeit wollten. Einer, mit dem man Spaß haben konnte, um ihn problemlos wieder loszuwerden, wenn sich etwas Interessanteres ergib. Die meisten Beziehungen überlebten dann auch nur ein paar Monate und ich wurde kurzerhand ersetzt. Doch auch die Frau, mir der ich jetzt schon seit fast zwanzig Jahren zusammenlebe, wollte von der klassischen Ehe nichts wissen.
Das hat mich zwar am Anfang ziemlich befremdet, aber ich gewöhnte mich daran. Ich fand sogar richtig Gefallen an einer Beziehung, die eigentlich nur am Wochenende und im Urlaub stattfindet. Nicht weil ich die jederzeit lösen konnte, ohne einen Scheidungsanwalt zu brauchen. Sondern weil sie mir eine Freiheit bot, die ich in drei Jahrzehnten Ehe nie erlebt hatte.
Es ist schön, mit einem Menschen zu leben, den man mag und mit dem man gerne zusammen ist. Aber Partnerschaft hat auch immer etwas mit Absprachen, gegenseitiger Rücksicht und unterschiedlichen Bedürfnissen zu tun. Alles, was man tut, muss man vorher mit dem Partner abstimmen. Man muss auf bestimmte Vorlieben und Abneigungen achten und mit schwankenden Launen leben. Die gemeinsamen Mahlzeiten sind nicht einfach eine Frage des eigenen Hungergefühls, sondern finden zu ganz bestimmten Zeiten statt. Friktionen lassen sich dabei nicht ausschließen und man lacht nicht nur miteinander, sondern streitet sich auch hin und wieder.
Partnerschaft beginnt bei uns am Freitagabend, wenn ich meine Liebste vom Jobe abholt, und endete am Montagmorgen, wenn sie wieder mein Haus verlässt. Den Rest der Woche bestimmte ich selbst meinen Lebensrhythmus und wer sich einmal daran gewöhnt hat, will diese Unabhängigkeit nicht wieder hergeben.
Ich habe irgendwann erkannt, dass ein Mann diese Momente braucht, in denen er einfach nur allein sein will. Tage, an denen er nur herumhängt, ganz gleich was auf der Todo-Liste steht. Faule Morgenstunden, die er einfach im Bett verbringt und interessante Abende, die er erst um zwei Uhr nachts beendet. Als Freiberufler habe ich dafür sicher weit mehr Möglichkeiten, als jeder Angestellte. Aber es gehört auch zu meiner Vorstellung von Freiheit.
Die Zeiten, als man sich einmal im Leben für eine Frau entscheidet, um dann Jahrzehnte, wenn nicht das ganze Leben mit ihr zu verbringen, sind wohl endgültig vorbei. Heute wird Partnerschaft nicht mehr in Jahrzehnten, sondern bestenfalls in Jahren gerechnet. Es macht daher ganz sachlich betrachtet eigentlich keinen Sinn mehr, zusammenzuziehen und jede Minute des Alltags miteinander zu verbringen. Logischer ist es, wenn jeder seine eigene Wohnung behält und man sich einfach auf Zuruf gegenseitig besucht. Das wirkt auch der Routine entgegen, die sich als der Tod so mancher vielversprechenden Beziehung erwiesen hat.
Nachdem ich die gute erste Hälfte meines Lebens in einer klassischen Ehe- und Familienformation verbracht habe, halte ich mittlerweile das Leben als Single-Mann mit Dauerbeziehung für den besseren Weg. Er beugt stimmungskillender Routine vor und macht jedes Wochenende zu einem kleinen Highlight, auf das man sich freuen kann. Er erlaubt jedem seine eigenen Freiräume und sorgt dennoch für das Wirgefühl, ohne das die wenigsten von uns leben möchten. Vor allem aber vermeidet er Stress, weil bei einer Teilzeit-Partnerschaft die Chancen weitaus geringer sind, sich gegenseitig auf den Nerv zu gehen.
Ich behaupte, dass es die meisten kostspieligen und nervenaufreibenden Scheidungen nie gegeben hätte, wenn die Beteiligten mehr Abstand und mehr Freiräume zugelassen hätten. Denn wir Menschen sind zwar soziale Wesen, die das Miteinander brauchen. Aber wir sind auch Individuen, die nach einer möglichst freien Entfaltung des eigenen ichs suchen.