Das Spiel zwischen Mann und Frau ist ganz offensichtlich komplexer als es den Anschein hat. Am Kepler Gymnasium in Pforzheim gab es meiner Zeit ein Mädchen, von dem einer wie ich bestenfalls träumen konnte. Jeder hätte gerne mit ihr, aber sie war auch zu jedem freundlich, der den Mut aufbrachte, mit ihr zu reden. Aber sie galt als unnahbar und jeder vermutete, dass es in ihrem Leben einen heimlichen Freund gab, an den keiner von uns Normalsterblichen jemals herankommen konnte.
Ein gutes Jahrzehnt später traf ich sie in Begleitung eines Kerls, den sie mir als ihren Mann vorstellte. Ich war einigermaßen erstaunt, denn ich hatte eigentlich irgendeinen vorzeigbaren Supermann erwartet, der dem schönsten Mädchen am ganzen Gymnasium würdig war. Stattdessen stand neben ihr ein eher „gewöhnlicher“ Typ, während wir uns gegenseitig die Kurzfassung des Lebens erzählten, das wir seit den Teenager-Tagen hinter uns hatten.
Die Unterhaltung dauerte allerdings nicht lange. Sie wurde von einem abrupten und fast schon herrischem „Wir müssen weiter!“ unterbrochen, worauf sie sich gehorsam verabschiedete und von dem Typen abgeführt wurde.
Warum lässt sich eine Frau wie sie von so einem durchschnittlichen Kerl herumkommandieren? Warum gibt es überhaupt Frauen, die sich ständig über den Mann an ihrer Seite beschweren und doch seit vielen mit ihm zusammenleben und alles tun, um es ihm recht zu machen? Er wiederum macht ihr tausend Versprechungen, von denen nur die wenigsten wahr werden. Er ist zwar da, aber irgendwie nicht Teil ihres Lebens. Er nimmt sie für selbstverständlich und behandelt sie von oben herab, während sie sich geduldig alles gefallen lässt und ihn für den Größten hält.
Eine befreundete Psychologin führt das alles auf eine angespannte Vater-Tochter-Beziehung zurück. Der Vater ist der erste Mann im Leben eines Mädchens. Er ist der Größte. Ihm will die hübsche Tochter gefallen. Sie will ihm alles recht machen, um ein paar seltene lobende Worte zu erhaschen. Er ist für sie der Inbegriff eines Mannes: dominierend, beherrschend und gönnerhaft herablassend. An ihm müssen sich alle anderen Männer, die später in ihr Leben treten, messen lassen.
Kommt also einer daher, der hoffnungslos verliebt in sie ist, ihr jeden Wunsch erfüllt und sie auf Händen trägt, dann ist das für Sie kein Mann. Will sie einer beschenken, überraschen und beeindrucken, dann ist er ebenfalls auf dem falschen Weg. Bessere Chancen hat da schon ein Mann, der sie eigentlich gar nicht beachtet und für den es geradezu ein Zugeständnis ist, ihr ein Stück seiner kostbaren Zeit zu widmen. Einer, um dessen Gunst sie sich bemühen muss. Genauso, wie es damals bei Vater der Fall war.
Nach ihrem Denkmuster muss sie sich seine Aufmerksamkeit, seine Gunst oder gar seine Liebe erst einmal durch viel Hingabe und Wohlverhalten verdienen. Sie ist eben „nur“ eine Frau und er ist der Mann, um den sich alles dreht. Also muss sie ihn erobern und nicht umgekehrt. Heißt es nicht schon in der Bibel, Abraham „nahm“ sich eine Frau? Steht nicht in demselben Buch, dass die Frau um des Mannes willen auf Erden ist und ihm zu dienen hat? War es nicht schon immer so, dass der Mann den Ton angab und sich die Frau aussuchte, die seine Lust entfachte und seine Fantasie beflügelte?
Frauen, die sich von einem Typen angezogen fühlen, der sich später als toxisch für ihr Leben und ihre Gefühlswelt erweist, hatten meist einen Vater, der abweisend und gefühlskalt war. Einer, der ihr von Anfang an klarmachte, dass sie zu parieren hat, wenn sie geliebt werden will. Ein Mann, dem sie sich anbiedern musste, um Beachtung oder gar Anerkennung zu finden.
Bestimmt ein solches Beziehungsgerüst bereits die allerersten drei Jahre eines Mädchens, dann wird es zu einem fest verankerten Teil seiner Persönlichkeit. Es bleibt auch als Teenager und erst recht als erwachsene Frau das vorherrschende Verhaltensmuster. Sie kann noch so schön und begehrenswert sein, sie wird immer die Jungs und Männer abweisen, die sich durch intensives Werben um sie bemühten. Das sind für sie Kriecher und keine richtigen Männer. Denn ein richtiger Mann hat so zu sein, wie Vater es war: beherrschend, fordernd und abweisend. Dann werden ihre Instinkte geweckt. Dann wird sie es sein, die sich um seine Gunst bemüht. Sie wird alles tun, um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen.
Das mag sich seltsam anhören, aber eigentlich ist es alles andere als das. Denn wenn man ein paar Jahrhunderte zurückdenkt, stellt man sehr schnell fest, dass Frauen eigentlich nie in der Lage waren, den Mann selbst auszusuchen, mit dem sie ihr Leben verbringen würden. Zu biblischen Zeiten, also in der Zeit, auf die unsere Zeitrechnung zurückgeht, erfüllte eine Frau eigentlich nur zwei Aufgaben: Sie war das Objekt männlicher Begierde und sie war Mittel zum Zweck. Mädchen wuchsen auf, um verkauft zu werden. Dabei sprach man vom Brautpreis und der war umso höher, je schöner die Tochter war.
Damals warb ein Mann nicht um das Objekt seiner Begierde. Er sprach mit dem Vater des Mädchens und verhandelte über den Preis. Lag der im Rahmen seiner Möglichkeiten, wurde das Geschäft besiegelt und des gab ein großes Fest. Das nannte man Hochzeit und es endete damit, dass das Mädchen beweisen musste, dass es noch jungfräulich war. Ein durchstoßenes Jungfernhäutchen bestätigte nämlich, dass die Ware noch unversehrt war. So wie eine versiegelte Weinflasche die Garantie dafür ist, dass der enthaltene Wein genau das ist, was einst im Fass herangereift war.
Es waren also nie die Frauen, die umworben und auf Händen getragen wurden. Es waren immer die Männer, die die Wahl trafen, während die Frauen ihr Bestes gaben, um mit verführerischen Kleidern und femininem Verhalten Aufmerksamkeit zu erregen und den Mann ihrer heimlichen Träume für sich zu gewinnen.
Daran hat sich im Prinzip nie etwas geändert. Noch immer kleiden sich Frauen so, dass möglichst viele Männer hinsehen. Sie gewähren Durchblicke und Einblicke, die in der Summe nur ein Ziel haben: zu gefallen, Aufmerksamkeit zu erregen und genau den Kerl für sich zu gewinnen, der dem Ideal es „richtigen“ Mannes entspricht.
Wer sich also als Mann größte Mühe gibt, einer Frau zu gefallen, ist also eigentlich auf dem falschen Weg. Denn ein Mann, der um ihre Aufmerksamkeit bettelt, schmeichelt vielleicht ihrer Eitelkeit. Aber er wird nie der Mann ihrer Träume sein. Das wird nicht selten der sein, der sie dezent herablassend behandelt und ihr von Anfang an zeigt, wer das Sagen hat und die Entscheidungen trifft.