Sie war 36, als die beiden heirateten. Er hatte gerade das Rentenalter erreicht. „Was willst du mit so einem alten Mann“? fragten ihre Freundinnen und tuschelten hinter ihrem Rücken. „Wenn du 50 bist, ist er schon 80“, rechneten ihr ihre Eltern vor und zeigten sich besorgt bis feindlich. „Alter ist nur eine Zahl“, entgegnete sie und erntete nur Unverständnis.
30 Jahre Altersunterschied, das kann doch überhaupt nicht funktionieren, ist die landläufige Meinung. Die meisten Menschen halten schon zehn Jahre für ein Problem. Wenn eine junge Frau einen wesentlich älteren Mann heiratet, ist schnell vom Vaterkomplex die Rede und man vermutet emotionale Defiziten in ihrer Jugendzeit. Oder es heißt: „Die ist nur hinter seinem Geld her“, was im Einzelfall stimmen mag, in den meisten Fällen aber nicht der eigentliche Grund ist.
Frauen verurteilen, Männer bewundern
Die Reaktionen der Männer sehen jedoch völlig anders aus. Wenn einer von ihnen mit einer jungen Frau auftaucht, die dem Alter nach auch seine Tochter sein könnte, schwanken die Meinungen zwischen Neid und Bewunderung, während Verurteilung nur äußerst selten zu hören ist. Auf dem Golfplatz gilt er als toller Hecht, der es noch einmal wissen will. Unter Freunden fragt man sich, wie er es wohl angestellt hat, sich auf seine alten Tage noch ein junges Küken ins Bett zu holen. Über Geld spricht hier keiner, denn jedem ist klar, dass Frauen und Geld immer irgendwie zusammengehören.
Dass die Kombination älterer Mann und junge Frau wesentlich häufiger zu finden ist, als die umgekehrte Konstellation, liegt schlicht und einfach in der Biologie. Frauen haben nur eine relativ kurze Lebensspanne, in der sie als attraktiv und sexuell begehrenswert angesehen werden. Sie liegt ganz grob geschätzt zwischen sechzehn und dreißig, umfasst also selten mehr als zwanzig Jahre. Danach ist die Substanz aufgebraucht und was bleibt, sind meist nur noch Frust und Verbitterung. Zumindest, wenn man es bis jenseits der Dreißig nicht geschafft hat, eine stabile Beziehung aufzubauen, bei der Sex nicht den einzigen Mittelpunkt bildet.
Umgekehrt sieht es völlig anders aus. Findet ein Mann mit einer wesentlich älteren Frau zusammen, dann steht meist weniger die sexuelle Anziehung im Vordergrund. Es geht vielmehr um die richtigen Schwingungen auf emotionaler und geistiger Ebene. Man „versteht“ sich einfach, ist gerne zusammen, und führt ein Leben, das von vor allem von gemeinsamen Ansichten und Interessen geprägt ist.
Je älter der Mann, desto jünger die Frau
Schon Picasso hatte alle paar Jahre eine neue Muse an seiner Seite, die ihn inspirierte und seine Libido lebendig hielt. Die Neue muss jünger sein als die Alte, war seine Devise und er fand selbst im hohen Alter immer wieder eine Frau, die fasziniert von ihm war.
Ich selbst bin vielleicht das beste Beispiel dafür, dass Alter nur eine Zahl ist, und ein Mann sich überlegen über das Urteil seiner Umgebung hinwegsetzen sollte. Meine erste Frau heiratete ich wenige Tage, nachdem ich 21 und damit gerade volljährig geworden war. Sie war eine haselnussbraune Schönheit aus der Karibik, um die mich damals jeder beneidete. Aber sie hatte für meine Familie den Makel, sechs Jahre älter als ich zu sein. Meine Eltern waren entsetzt und blieben demonstrativ meiner Hochzeit fern. In ihren Augen war sie das „Weibstück“, das sich an ihrem Sohn vergriffen hatte. Sie waren fest davon überzeugt, dass die Ehe bestenfalls drei Jahre halten würde.
Sie hielt ganze dreißig Jahre und das Ende hatte ganz bestimmt nichts mit dem Altersunterschied zu tun.
Die nächste Frau war fünf Jahre jünger als ich, war Pianistin und stammte aus Moskau. Als ich sie kennenlernte, habe ich sie glatt zehn Jahre jünger eingeschätzt und bekam eine Lektion über die Relativität zwischen Alter und Aussehen. Wir haben uns nach fast zwei Jahrzehnten getrennt, sind aber nach wie vor beste Freunde.
Der Zufall wollte es, dass eine 28-jährige Brasilianerin in mein Leben trat, die keinerlei Probleme damit hatte, dass sie es mit einem gut doppelt so alten Mann zu tun hatte. Für sie war ich der Lehrmeister, der ihr das Leben erklären konnte und ihr tatkräftig half, psychische Stabilität zu finden und in der Fremde ein völlig neues Leben zu beginnen. Ihre jugendliche Agilität und mein eher besonnenes Wesen sind die perfekte Ergänzung, weil wir kulturelle Unterschiede als stimulierend sehen und den Altersunterschied überhaupt nicht wahrnehmen.
Der Altersunterschied macht die Sache interessant
Wer sich mit Paaren unterhält, die in einer Beziehung stecken, bei der der Altersunterschied 20 Jahre und mehr beträgt, der wird schnell zu hören bekommen, dass das Alter eigentlich nie ein Thema war. Der Altersunterschied wird einfach als unveränderliche Konstante angesehen, die zwar nicht ohne Einfluss auf die Beziehung ist, aber nicht als Problemfeld empfunden wird.
Denn eine Beziehung zwischen Mann und Frau kennt immer drei Ebenen: die sexuelle Ebene, die emotionale Ebene und die intellektuelle Ebene. Alle drei sollten von einer gewissen Übereinstimmung geprägt sein. Aber sie sind selten völlig gleichgewichtig vorhanden.
Natürlich sollten sich die beiden sexuell begehren. Sie sollten spontane Erregung empfinden, wenn sie sich küssen und berühren. Fällt dieser Aspekt weg oder ist nur sehr schwach ausgeprägt, dann muss das nicht unbedingt ein unüberwindbares Problem sein. Aber das Fehlen dieser Eigenschaft sollte durch eine umso stärkere Ausprägung der beiden anderen Eigenschaften ausgeglichen werden. Wer keinen oder kaum Sex hat, sollte sich umso besser intellektuell verstehen und/oder eine starke emotionale miteinander Verbindung spüren.
Emotionale Nähe ist genauso wichtig. Man muss es einfach genießen, mit dem Anderen zusammen zu sein. Man muss ihn gerne ansehen, seine Anwesenheit schätzen und ihn vermissen, wenn man längere Zeit getrennt ist. Man muss ein gewisses Wirgefühl spüren, das die Beziehung zu etwas Einmaligen macht und schöne Erinnerungen hervorruft. Es gibt Paare, die schon ewig keinen Sex mehr hatten, aber eine umso stärkere emotionale Bindung zueinander zeigen.
Und natürlich sollte man intellektuell auf derselben Wellenlänge schwingen. Man sollte ähnliche Werte vertreten, eine ähnliche Weltsicht haben und sich übereinstimmend unterhalten können. Denn wer geistig in unterschiedlichen Welten lebt, kann zwar ein gemeinsames Zusammenleben arrangieren, aber zu einem tieferen, bedeutungsvollen Austausch wird es nie kommen. Ganz im Gegenteil, Paare mit wenigen geistigen Gemeinsamkeiten müssen viel Toleranz aufbringen, damit die Gegensätze nicht zu wiederholten Streitigkeiten oder gar Aggressionen führen. Der größte Teil des Zusammenlebens findet nämlich nicht im Bett statt, sondern im täglichen Miteinander und den unmittelbar damit verbundenen Gesprächen.
Ein großer Altersunterschied kann natürlich ein Problem sein, was körperliches Verlangen und sexuelle Anziehung angeht. Aber das ist alles andere als eine zwangsläufige Folge. Und, wie gesagt, wenn dieser Bereich eher schwächer ausgeprägt ist, dann kann der durch die beiden anderen Bereiche mehr als ausgeglichen werden. Sexuelle Probleme sind selten ein Scheidungsgrund. Eher schon eine verkümmerte Kommunikation oder ein im Laufe der Jahre abgenutztes Wirgefühl, das dazu geführt hat, dass man sich gegenseitig eigentlich gar nicht mehr richtig wahrnimmt.
Wenn die Lebenserfahrung Jahrzehnte auseinanderliegt, kann auch das auf Dauer durchaus zu einem intellektuellen Problem werden. Weil man zum Beispiel keine gemeinsamen Themen findet, über die man reden kann, oder weil die vorhandenen Interessen einfach zu unterschiedlich sind. Aber es kann auch völlig anders sein. Eine junge Frau, die zu ihrem älteren Partner aufsieht, wird auch eine ausgeprägte Wertschätzung für ihn haben und liebt ihn vielleicht schon aus dem Grund, weil sie ihn als bereichernd empfindet, viel von ihm lernen und mit ihm wachsen kann.
In Chancen statt in Problemen denken
Wer einen großen Altersunterschied vor allem als Problem empfindet, sollte sich vielleicht besser nicht auf so eine Beziehung einlassen. Wer die unterschiedlichen Lebensphasen als Herausforderung sieht, sollte es vielleicht besser bei einer guten Freundschaft belassen. Wer jedoch Unterschiede generell als bereichernd empfindet, für den wird Alter nicht viel mehr als eine Zahl sein und er wird eine hohe Wertschätzung für den Partner haben, mit dem ihn das Leben zusammengeführt hat.
Ganz gleich was die Anderen denken und was Freunde und Verwandte über die Beziehung sagen.