Beziehung: Partnerwahl nach Checkliste

Sie wollen eine in jeder Hinsicht optimale Beziehung. Lass dich nie mit dem Zweitbesten ein, ist ihr Lebensmotto. Also haben sie sich genau überlegt, was der Mann ihrer Träume für Features haben muss. Wenn sie einen treffen, wird er erst einmal abgecheckt. Das heißt, im scheinbar entspannten Gespräch wird ein Fragenkatalog abgearbeitet und am Ende werden die Punkte zusammengezählt. Und sie werden sich mit keinem ernsthaft einlassen, dessen Score nicht ganz nahe am Ideal liegt. Manche tun das ihr halbes Leben lang. Bis sich das Blatt wendet und einfach kein Mann mehr da ist, der sich auf das Spiel einlassen will.

Mir fällt da spontan eine entfernte Verwandte ein. Nennen wir sie Gaby. Schon als Teenager war sie sehr von sich überzeugt. So richtig verliebt hat sie sich eigentlich nicht. Aber sie war immer in Begleitung eines Typen, den sie als ihren neuesten Freund vorstellte. Ich traf Gaby nicht sehr oft, vielleicht einmal im Jahr. Aber ich habe sie nie zweimal mit demselben Begleiter gesehen.

Zugegeben, Gaby war ein verdammt hübsches Mädchen, das sich im Laufe der Zeit zu einer richtig begehrenswerten Frau entwickelte. Wobei sie nicht nur von der Natur recht großzügig bedacht worden war. Sie trieb sich auch ständig im Fitness-Studio herum und arbeitete fleißig an der Optimierung ihres Body.  

Einmal hatte sie einen Kerl, der irgendwie völlig anders war als all die bisherigen. Ein richtig netter Typ, der mit auf Anhieb sympathisch war. Zu meiner Überraschung sah ich ihn auch im Folgejahr wieder. Die beiden waren mittlerweile zusammengezogen und es sah ganz danach aus, dass Miss Perfekt endlich den Richtigen gefunden hatte. Er studierte irgendwas mit Medien und hatte sich schon während der Studienzeit mit ein paar Kommilitonen zusammengetan, um ein Unternehmen zu gründen. Und er schien voll auf sie zu stehen. Zumindest konnte er seine Hände nicht von ihr lassen, obwohl sie schon über zwei Jahre zusammen waren.

Es hat irgendwie nicht gepasst,“ gestand sie mir einige Zeit später, als sie ohne Mann an ihrer Seite auftauchte. „Und wer weiß, ob das mit seiner Firma etwas wird.“ Besonders letztere Aussage hat mich dann auch stutzig gemacht und veranlasst, etwas genauer nachzuhaken.

Es stellte sich heraus, dass er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Genau an dem Tag, an dem er sein Diplom erhalten hatte. Er hatte sogar Verlobungsringe dabei und sie für den großen Augenblick ganz schick zum Essen eingeladen. Doch sie konnte sich nicht entscheiden. Vielmehr, sie wollte sich noch nicht entscheiden. Sie sei schließlich noch jung, meinte sie. „Wer weiß, ob es da draußen vielleicht einen noch besseren Mann gibt.“

Der Arme muss richtig geschockt gewesen sein. Er war ganz sicher gewesen, dass sie ganz einfach zusammen gehörten und sie sich über seinen Antrag richtig freuen würde. Stattdessen musste er feststellen, dass er eigentlich nur der Mann on standby war. Einer, der in ihren Augen eigentlich nur OK war, solange kein Besserer des Wegs kam. Er war noch am selben Abend aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und hatte sich nie wieder blicken lassen.

Gaby hingegen ging die Sache ganz pragmatisch an. Sie stürzte sich wieder ins Leben und war bereit für Neues. Und weil sie ein echter Blickfang war, dauerte es auch nicht lange und der Nächste trat in ihr Leben. Der brachte es allerdings nicht bis zur gemeinsamen Wohnung, denn schon wenig später hatte sie schon wieder einen Neuen entdeckt. Ich weiß nicht, ob ich alle mitbekommen habe, aber es waren wohl so um die sieben Männer, die es mit ihr versucht hatten, um am Ende doch einen Korb zu bekommen.

Das Problem war einfach, dass sie sich schlicht und einfach von den falschen Männern angezogen fühlte. Männer, die genau dieselbe materialistische Einstellung hatten wie sie selbst. Männer, die genau so berechnend waren und vor allem daran dachten, welchen Nutzen sie wohl von ihr haben würden. Und dieser Nutzen bestand in erster Linie darin, sich mit einer gut aussehenden Frau schmücken und die Kumpels ordentlich beeindrucken zu können. Denn viel mehr als ihren Körper hatte sie nicht zu bieten und den wollte sie offensichtlich möglichst gewinnbringend vermarkten.

Doch eine Frau ist eine verderbliche Ware. Ihre Haltbarkeit ist begrenzt. Ihre Begehrlichkeit reduziert sich auf wenige Lebensjahre. Mit sechzehn ist sie das hübsche Mädchen, das jeder anlächelt. Mitte zwanzig wird sie als junge Frau wahrgenommen und zieht die Männerblicke auf sich. Mitte dreißig trennt sich allmählich die Spreu vom Weizen und sie braucht schon etwas Glück, um noch Interesse zu wecken. Und irgendwann nach vierzig ist der Glanz soweit verblasst, dass sie mit ihrem Körper allein nichts mehr bewirken kann.

Bei Gaby war es nicht anders. Sie sah zwar auch mit vierzig durchaus noch begehrenswert aus. Doch die Männer in ihrem Alter waren längst verheiratet, überzeugte Junggesellen oder schwul. Übrig blieben die Hochstapler, die sie mit dem dicken Leasingwagen und dem opulenten Abendessen beeindruckten, aber in Wirklichkeit nur eine unverbindliche Liebschaft suchten. Oder die Ehemänner, die sich als solche nicht zu erkennen gaben und an eine leidenschaftliche Zweitfrau dachten, um ihr langweiliges Eheleben erträglich zu machen.

Gaby hat es irgendwann bereut, den besten Mann, der ihr je begegnet ist, vor den Kopf gestoßen zu haben. Irgendwann hat sie ihn zufällig in der Stadt getroffen. In ihrem Inneren waren sofort die alten Gefühle wach geworden und sie wäre zu allem bereit gewesen, um ihn wieder für sich zu gewinnen. Aber er war mittlerweile verheiratet, hatte zwei Kinder und machte einen ziemlich zufriedenen Eindruck.

Was mich an eine andere Freundin erinnert, dich ich vor Jahren übers Internet kennenlernte. Sie hatte gerade eine tiefe Enttäuschung hinter sich und war nur zögernd bereit, sich auf eine neue Beziehung einzulassen. Doch ich merkte schnell, dass ihr Traum darin bestand, einen reichen Mann zu finden, der ihr das Leben ermöglichen würde, zu dem sie aus eigener Kraft nicht fähig war. Ein Unternehmer sollte es sein. Jemand, der eine Firma besitzt. Ein Mann mit Geld, ja eigentlich ein richtiger Millionär. Sie selbst sah sich schließlich auch als Unternehmerin, auch wenn es nur ein Einfrau-Betrieb war. Und sie ließ kein Treffen des Hamburger Unternehmerverbandes aus, wo sie die richtigen Leute zu treffen hoffte.

Ich wusste, sie würde ihren Traum nicht verwirklichen können. Um in der Hamburger Unternehmerschaft Anerkennung zu finden, muss man vor allem Hamburger sein. Und eine Frau, die es zu mehr als einer Geliebten bringen wollte, musste das richtige Auftreten haben, den richtigen Smalltalk beherrschen und in den richtigen Kreisen verkehren. Sie war zwar schon knapp vierzig, aber sie sah außergewöhnlich gut aus. Ich fand sie durchaus liebenswert, aber ihre Ausstrahlung war die eines einfachen Mädchens, das versuchte einen bestimmten Status widerzuspiegeln.

Jahre später traf ich sie zufällig an der Alster. Sie war immer noch single. Sie sah immer noch gut aus. Und ihren Millionär hatte sie noch immer nicht gefunden.

Wir leben in einer Welt, in der keine Frau mehr schwanger wird, wenn sie es nicht will. Eine Welt, in der Frauen dieselben Bildungschancen haben wie sie früher nur Männer hatten (auch wenn die längst nicht von allen wahrgenommen werden). Es ist eine Welt, in der man einfach so miteinander schlafen kann, ohne dass es ein Skandal ist. Und in der Paare auf Dauer zusammen wohnen, ohne deshalb heiraten zu müssen.

Aber es ist auch eine Welt der Egozentriker. Sie sind als Einzelkinder aufgewachsen und waren zu Hause der Mittelpunkt, um den sich alles drehte. Sie haben gefordert und bekamen. Sie haben sich durchgesetzt und erhielten Beifall. Sie dachten nur an sich und man sprach von gesundem Egoismus. Folglich lieben sie, wie sie leben: ichbezogen und auf den eigenen Lustgewinn bedacht. Gefühle gelten als Investition, für die man einen konkreten Nutzen erwartet. Treue gibt es nur,  solange sich keine bessere Lösung auftut.

Das Ergebnis sind Beziehungen unter Vorbehalt. Man ist ein Paar, solange alles passt. Man will zusammenleben und doch die eigene Selbstständigkeit erhalten. Man ist vertraut und hat doch Geheimnisse voreinander. Man achtet sorgfältig darauf, dass die Bilanz stimmt, denn man will keinesfalls mehr geben, als man zurück erhält. Man braucht das Wir und pflegt dennoch das Ich. Man ist offen für Neues,denn es könnte sich ja Besseres ergeben.

Man ist irgendwann allein, denn man ist in die Jahre gekommen, hat an Attraktivität eingebüßt und kann keine Vorteile mehr bieten.