Schön, dass Dating heute so einfach ist

Früher war alles besser. Und die Liebe war einfach romantischer. Da lernten sich zwei beim Tanztee kennen und knüpften die ersten zarten Bande. Er hielt um ihre Hand an Vaters Segen wurde als Verlobung gefeiert. Das unverbindliche Wort Beziehung gab es noch nicht, denn richtige Liebe bedeutete Hochzeit, Ehe und ewige Treue.

Blödsinn, kann ich da nur sagen. Denn der Romantiker der damaligen Zeit war zwar unsterblich verliebt in seine Angebetene. Doch er hatte eigentlich keine Chance, sie wirklich kennenzulernen. Der Wunsch, allein mit ihr zu sein, galt schon als unsittliches Ansinnen. Einen verstohlenen Kuss war das höchste, was eine anstänige Frau gewährte. Wie ihr sorgfältig bedeckter Busen wirklich aussah und was sie unter ihren zahlreichen Unterröcken verbarg, würde der lüsterne Jüngling erst erfahren, nachdem er sie geehelicht hatte.

Da lobe ich mir die Dating-Welt von heute. Man sucht sich in einem Dating-Portal aus, was das Auge erfreut, sieht im Profil nach, ob es einigermaßen passt und verschickt eine Nachricht im Sinne von "du gefällst mir, ich würde dich gerne näher kennenlernen". Das klingt zwar ziemlich unromantisch. Aber es ist ja auch nicht das eigentliche Dating. Denn anders als die Meisten denken, kann das Web keine Beziehungen schaffen, sondern bestenfalls den ersten Kontakt herstellen. Das ist nichts anderes als der erste Blickwechsel im Café, bei dem es auch lediglich um die Botschaft "du gefällst mir" geht. Reagiert sie darauf, bestehen zumindest erste Hoffnungen. Dreht sie sich einfach weg, ist die Sache erledigt und er muss sich schon verdammt anstrengen, um aus der Situation noch etwas zu machen. Im Web würde sie einfach nicht antworten, oder bestenfalls mit einem freundlichen "nein danke, aber du bist nicht mein Typ" reagieren.

Für den Mann im Café beginnt jetzt der entscheidende Teil der Übung. Manche haben für solche Fälle ein paar bewährte Sprüche parat, die aber nicht immer ankommen. Andere müssen allen Mut zusammennehmen, um überhaupt ihre Befangenheit zu überwinden. Ich selbst war an dieser Stelle meist schon überfordert und habe wohl schon tausemnd Chancen verpasst, aus denen sich vielleicht etwas entwickelt hätte. Für mich war daher die virtuelle Dating-Welt die Lösung schlechthin. Denn wenn ich bei Parship & Co. ein vielversprechendes Wesen anschrieb, war zumindest schon mal eines klar. Sie ist offen für Neues. Ganz anders als im Café, wo sie vielleicht nur sitzt, um auf ihren Freund, ihren heimlichen Liebhaber oder ihren Mann zu warten.

Da ist es mir schon lieber, ich begegne ihr est dann im Café, wenn das Grundsätzliche schon mal klar ist. Vor allem, weil das ungemein über die Hürde der ersten Worte hinweg hilft. Und weil zwei Menschen, die sich füreinander interessieren, auch tausend Themen finden, über die sie reden können. Finde ich sie hübsch, werde ich alles über sie wissen wollen. Ist sie nur na ja, war es zumindest eine interessante Begegnung. Lässt sie mich völlig kalt, findet sich immer eine Ausrede, um dem Gespräch Gespräch ein Ende zu setzen. Dass das Ganze ohne verlegene Blicke, verschämtes Erröten und allerlei gesellschaftliche Tabus verläuft, empfinde ich als einen Segen unserer Zeit, den ich sehr zu schätzen weiß.

Der Verehrer früherer Zeiten beendete den Besuch im Kaffeehaus mit einem kleinen Spaziergang auf der Promenade. Mit gebührendem Abstand zu seiner Dame. Und natürlich ohne jegliche körperliche Berührung. Schließlich war sie auf ihren Ruf bedacht. Und er wollte sich als echter Gentleman erweisen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Verabschiedung nach dem ersten Date sehr viel über die weiteren Chancen aussagt. Habe ich eine wirklich lieb gewonnenm, musste es schon eine freundschaftliche Umarmung sein. Ansonsten war es eben ein Händedruck oder auch nur ein freundlich unverbindliches "tschüss".

"Der Körper lügt nie", hat mir einmal eine Psychologin verraten. Nimmst du eine Frau sanft in die Arme, wenn du dich von ihr verabschiedest, wird sie dir untrüglich zeigen, was sie für dich empfindet. Schmiegt sie sich dabei willig an dich, hat sie sich emotional und körperlich bereits für dich geöffnet. Spürst du, dass sie sich versteift, ist sie entweder eine Norddeutsche und hat grundsätzlich ein Problem mit zu viel Nähe. Oder sie mag dich eben nicht und du wirst auch nie wieder etweas von ihr hören.

Steffen Wolfrath