Sexismus: Bücher verbrennen, Kunst vernichten, alles verbieten

Die Sexismus-Debatte hat mittlerweile geradezu groteske Züge angenommen. Ende 2017 wurde vom Magazine Time nicht mehr die Person des Jahres gekürt. Nein, der Preis ging an eine virtuelle Bewegung, die unter dem Kürzel #MeToo von sich reden machte. Diese habe §eine der rasantesten Veränderungen in unserer Kultur seit den sechziger Jahren freigesetzt“, meldete das Blatt.

Seit den sechziger Jahren? Die wilden Sechziger, als die Studenten auf die Straße gingen, um sich gegen den Mief des Establishments aufzulehnen? Als nackte Frauen die Titelseiten der Gazetten beherrschten und Sex, als die Kommune als Wohnform erfunden wurde und Drugs and Rock‘n Roll den Zeitgeist bestimmten. Liebe Macher von Time, das ist doch nicht euer Ernst!

Was in den Sechzigern abging, kann man zu Recht als kulturelle Veränderung bezeichnen. Frauen legten ihre Röcke ab und trugen fortan dieselben Jeans wie die Männer. Der Sex verließ die Tabuzone und ganze Magazine betrieben sexuelle Aufklärung. Die Ehe wurde zur Beziehung und wenn zwei sich fanden, zogen sie einfach zusammen, ohne erst den Segen eines Pfaffen abzuwarten. Der Minirock war Provokation pur und die neue Jugend strömte in die Universitäten. Frauen genauso wie Männer, denn das Heimchen am Herd war zum Auslaufmodell geworden.

Das war nicht nur eine Veränderung der Kultur, es war eine kulturelle, gesellschaftliche, sexuelle, politische Revolution. Im Vergleich dazu ist doch die #MeeToo-Bewegung bieder wie einst der Nierentisch.

Die Mädels in den 60ern waren frech, selbstbewusst, emanzipiert. Sie zeigten den Jungs, dass sie genauso gut, wenn nicht sogar besser waren. Das schafften sie ohne und wenn es sein musste auch gegen den Staat.

Schon damals gab es emanzipierte Frauen und Emanzen. Die einen waren erstmals ernstzunehmende Partner, die mehr vom Leben erwarteten als den richtigen Mann zu finden. Die anderen kämpfen heute noch einen Kampf, der eigentlich schon gewonnen ist. Denn Frauen lassen sich schon lange nicht mehr unterdrücken. Und wenn, dann liegt es nicht allein an den bösen Männern, sondern auch an ihrem eigenen Unvermögen.

Wenn die eigene Karriere nur über das Bett des Chefs führt, dann muss man eben sagen „nicht mit mir“ und die Szene verlassen. Das ist nicht nur selbstbewusst. Es bewahrt auch die Selbstachtung. Denn wer meint, sich hoch schlafen zu können, ist am Ende immer der Verlierer.

Wenn er sie da berührt, wo sie es nicht will, dann wissen emanzipierte Frauen genau, wie sie das beenden können. Das reicht von der eindeutigen Körpersprache bis hin zur Ohrfeige. Wenn er anzüglich wird, genügt meist ein passender Kommentar und er weiß, dass da nichts läuft. Wer das nicht tut, darf sich hinterher nicht beschweren. Und wer zu allem bereit ist, nur um seinen armseligen Job zu behalten, darf sich nicht wundern, wenn er zeitlebens unterdrückt wird. Denn Achtung gewinnt man nicht, wenn man immer klein beigibt, sondern wenn man aufrecht durchs Leben geht.

#MeToo steht für Sexismus im Alltag. Und da es fast ausschließlich Frauen sind, die sich hier engagieren, sind es natürlich die Männer, die am Pranger stehen. Nicht weil sie körperlich überlegen sind, denn um rohe Gewalt geht es hier eher selten. Sondern, weil sie angeblich Frauen nur als Sexobjekte sehen. Sie wollen sie begaffen, begrapschen und natürlich ins Bett bekommen.

Eine ziemlich simple Dankweise, die aber auf fruchbaren Boden zu fallen scheint. Und die längst den Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen verlassen hat. So konnte zum Beispiel eine Online-Petition über 12.000 Unterschriften sammeln, bei der es um nichts anderes ging als ein Bild im New Yorker Metropolitan Museum of Modern Art. Das Bild heißt Träumende Thérèse und stammt von einem Maler namens Baltus, der es bereits 1938 malte. Es zeigt ein offensichtlich sehr junges Mädchen in entspannter Pose auf einem Stuhl.

Die entrüstete Frauenwelt sieht darin ein Beispiel für offenen Sexismus. Schließlich sei das Mädchen fast noch ein Kind und wurde so gemalt, dass man ihr unter den Rock sehen kann. Eindeutig männliche Sexfantasien also und das an der Grenze zur Pädophilie. Eine Kommentatorin spricht sogar von der sexuellen „Ausbeutung eines Kindes“. So etwas muss man schleunigst abhängen, ins Archiv verbannen oder am besten vernichten. Und es müssen schleunigst Gesetze her, um derartige Bilder, Fotografien und andere Machwerke zu verbieten.

Vielleicht sollten wir wieder in die Zeit vor Impressionismus und Expressionismus zurückkehren, als Frauen nur als heilige Marienbilder gemalt werden durften. Oder es sollte eine Sexismus-Kommission eingerichtet werden, die die Museen der Welt von allem Schmutz befreit - anzügliche Bilder wie sie Tizian, Gaugin, Botticelli, van Dyck, Modigliani, Toulouse-Lautrec, Manet, Picasso, Schiele, Klimt und all den anderen männlichen Schweinen.

Erst vor drei Jahren forderten aufgebrachte Feministinnen, man möge das Bild Amor von Caravaggio im Depot versenken, anstatt es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Schließlich handle es sich hier um eine „unnatürliche und aufreizende Position“ und eine „ausdrücklich obszöne Szene“, die allein zur „Erregung des Betrachters“ diene. In Göttingen wurde jüngst eine Ausstellung von Marion Vina vorzeitig beendet. Stundenten hatten sich über die hier dargestellten Brüste und Hintern beschwert. Wohlgemerkt, es handelte sich nicht um einen chauvinistischen Maler, sondern um eine Malerin.

Es ist nichts Neues, dass Kunst auf Widersprüche stößt. Nicht jeder kann dem Fettstuhl von Beuys etwas abgewinnen. Und so mancher hält die blutjungen Schönheiten eines Bruno Bruo schlichtweg für Pornografie. Aber es ist immer der Mainstream, der sich entrüstet. Menschen, die zu Kunst eigentlich keine Beziehung haben. Dasselbe miefige Kleinbürgertum, das schon in den sechziger Jahren meinte, Beat wäre keine Musik, Kommunen sollten verboten werden und protestierende Studenten solle man ins Arbeitslager stecken.

Die Urheber von #MeToo machen da keine Ausnahme. Es sind keine Revolutionäre, die etwas verändern wollen. Keine Feministinnen, die gegen männliches Unrecht kämpfen. Keine engagierten Menschen, die diese Welt ein Stück gerechter, friedlicher, lebenswerter machen wollen. Es sind die immer gleichen Emanzen, die es mittlerweile in die Politik geschafft haben und in der Wirtschaft die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten eingenommen haben. Frauen, die so sind, wie sie aussehen und für andere Frauen kämpfen, die dieser Kampf eigentlich überhaupt nicht interessiert.