Von der Freude, ein Geschenk auszupacken

Ein Geschenk auszupacken ist ein ganz besonderer Moment. Man ist gespannt. Man zieht erwartungsvoll die Schleife auf. Man entfernt ganz langsam das Geschenkpapier. Man öffnet behutsam den Karton. Man genießt die Überraschung und will alles gleich ausprobieren. Auch Frauen lieben es, Geschenke auszupacken. Umso erstaunlicher ist, dass sie das beim Sex ganz anders sehen und sich nicht die geringste Mühe geben, einen Mann in Erwartung zu versetzen und sich verführerisch zu inszenieren. Natürlich nicht alle von ihnen. Aber erstaunlich viele. 

Das Verhältnis zwischen Mann und Frau hat sich verändert und der größte Teil dieser Veränderung lief in den letzten beiden Generationen ab. Früher war es richtig kompliziert, eine Frau anzumachen. Es gab tausend Regeln und unzählige Tabus und so richtig kennenlernen konnte Mann eine Frau eigentlich erst nach der Hochzeit. Meist war das dann auch die Frau fürs Leben und die einzige Frau, die er jemals flachlegen würde. Heute ist das alles recht unkompliziert. Man lernt sich kennen, man schläft miteinander und es muss schon einiges zusammenpassen, bevor daraus ein gemeinsames Leben wird. 

Aber irgendwie ist dabei auch ein Stück Besonderheit verloren gegangen. Die Frau ist kein Geheimnis mehr, das mühsam enträtselt werden will. Und nicht selten hat sie auch ein Stück Weiblichkeit abgelegt, die ihr immer fehlen wird. Sie läuft in denselben Jeans herum, die auch er in seiner Freizeit trägt. Sie trägt das schicke Business-Outfit im Büro und zieht zu Hause den bequemen Jumpsuit an, der alles andere als ein Hingucker ist. Am Ende hat sie immer weniger Sex und glaubt, dass es allein daran liegt, dass der Reiz des Neuen vorbei ist.

Ich greife da mal auf meine eigene Erfahrung zurück. Mit meiner heutigen Ex war ich über 20 Jahre verheiratet. Wir hatten zwei Kinder und in der Siedlung galten wir als die Bilderbuch-Familie schlechthin. Meine Frau war zwar ausgesprochen hübsch und wirkte wesentlich jünger als sie wirklich war. Doch im Bett war sie alles andere als die heiße Nummer, für die andere sie hielten. Sie ging gern shoppen, aber nicht zum Vergnügen, sondern um nach Schnäppchen zu jagen. Entsprechend war sie auch gekleidet. Sexy war etwas anderes und sich extra für ihren Mann hübsch zu machen, wäre ihr nie eingefallen. 

Unser Sexleben lief so ab: Sie kam zu mir ins Bett, nachdem ich mehrmals angedeutet hatte, dass es mal wieder Zeit war. Sie legte sich in voller Montur neben mich und wartete. Die Botschaft lautete also „hier bin ich, bedient dich“. Also tat ich, was man mit einer Frau eben tut, kam irgendwann und das war’s. Onanie am lebenden Objekt, habe ich das immer genannt. Die Ehe ist dann auch irgendwann schlicht und einfach abgestorben. 

Die Frauen danach sind nicht erwähnenswert. Bis auf die eine, mit der ich mittlerweile seit 12 Jahren zusammenlebe. Sie war ausgesprochen gerne Frau und das konnte man auch sehen. Sie war die erste Frau, bei der es mir richtig Spaß machte, ihr edle Dessous zu schenken. Ich habe ihr Negligés gekauft, die teurer waren als ich für ein komplettes Outfit ausgab. Sie hat Pantys vom Typ ouvert getragen, mit denen ich einen Heidenspaß hatte. Ihre Brüste brauchten keinen BH und so etwas trug sie auch nicht. Einmal hat sie sich bei Max Mara ein Kleid gekauft, dass so perfekt passte, dass jeder Abdruck eines Höschens störend gewesen wäre. Also ging sie ohne ins Ballett und und ich saß neben ihr und hatte hinterher keine Ahnung, was da vorne eigentlich gespielt worden war. 

Mein kleiner Freund meldete Dauerbereitschaft an jenem Abend und wir hatten keine Lust, nach dem Ballett noch eine lange Stunde nach Hause zu fahren. Also checkten wir in einem Hotel gleich um die Ecke ein, brachten uns in der Hotelbar mit Champagner in Stimmung und feierten die Extase der Liebe. Damals kannten wir uns bereits fünf Jahre, aber die Lust aufeinander war unvermindert und das ist sie heute noch.

Sie sind seltener geworden: Frauen, die gern Frau sind und es lieben, sich feminin zu kleiden und mit ihrer Weiblichkeit zu kokettieren. Die Bekleidungsindustrie hat sich darauf eingestellt und solch sinnlos praktischen Dinge wie Strumpfhosen entwickelt. Strumpfhosen sind nämlich die Pervertierung des Damenstrumpfes schlechthin. Es sind Strümpfe, die bis zum Bauchnabel reichen. Im sichtbaren Bereich dienen sie dazu, die Beine möglichst wirksam  zur Geltung zu bringen. Weiter oben sind sie nur noch praktisch. Sie halten wirksam die unerwünschte Zugluft unter dem Rock ab, lassen sich morgens in Windeseile anziehen und können auf der Toilette (die ja eine Frau gefühlt alle paar Minuten aufsuchen muss) ganz einfach runterastreifen, um ohne große Umstände alles freizulegen. 

Allerdings hat die ganze Sache einen entscheidenden Nachteil: eine Frau in Strumpfhosen ist in etwa so sexy wie ein Tiefkühlhähnchen in Schrumpfverpackung. 

Da waren unsere Großmütter irgendwie aufregender. Sie trugen noch Nylonstrümpfe, die mit einem Hüftgürtel in Position gehalten werden mussten, weil sie sonst haltlos nach unten gerutscht wären. Die Idee dahinter ist an sich nicht schlecht und noch lange nicht ausgestorben. Sie gilt heute als die besonders reizvolle Alternative zur praktischen, aber völlig reizlosen Strumpfhose. Man spricht allerdings mittlerweile von Strapsen und nicht wenige Männer stehen voll darauf. 

Eine Frau in Strapsen ist heute alles andere als alltäglich. Aber sie hat etwas, das keinen Mann unberührt lässt. Verführerischer kann sich eine Frau nicht geben und begehrter kann sie sich unter ihrem Rock oder Kleid nicht fühlen. Allein das Bewusstsein, darunter nicht einfach in einem Nylonschlauch zu stecken, sondern ihre Strümpfe nach schöner alter Tradition mit Strapsen in Position zu halten, sorgt für feminine Empfindungen, die sich jeder rationalen Betrachtung entziehen. Wenn sie dann noch dafür gesorgt hat, dass der Mittelpunkt ihrer Weiblichkeit frei von jeglicher störender Behaarung ist, fehlt eigentlich nur noch ein hauchdünner Slip, eine verführerische Panty oder ein minimalistischer String und die Inszenierung ist perfekt. 

Das alles ist zwar nicht unbedingt praktisch, aber weibliche Kleidung hatte mit funktionalen Überlegungen noch nie viel zu tun. Es widerspricht auch dem Geist des Feminismus mit seiner antifemininen Grundhaltung. Aber wir reden ja hier von Frauen, die zu ihrer Weiblichkeit stehen, die sich gerne auf das lustvolle Spiel des Verführens und verführt werdens einlassen. 

Es gibt natürlich Männer, die mit Fast Food voll zufrieden sind. Es gibt aber auch die Genießer, die sich für ein erlesenes Menü gern einen ganzen Abend Zeit nehmen und dabei die anregend erregende Gesellschaft einer sinnlichen Frau zu schätzen wissen. Ein Mann der erstgenannten Sorte mit Strumpfhosen kein Problem haben. Er will ohnehin nur möglichst direkt auf den Punkt kommen und seinen Appetit stillen. Ein Mann vom Typ Genießer hingegen mag vielleicht nicht der schnelle Eroberer sein, der sie spätestens beim zweiten Date „rumgekriegt“ hat. Aber er ist der Mann mit Tiefgang, den eine kluge Frau unbedingt festhalten sollte. Und für den sie die Frau sein sollte, von der er schon immer geträumt hat. 

Strapse mögen vielleicht irgendwie nuttig wirken und so manche gehemmte Geliebte meint, dass eine moderne Frau so etwas niemals anziehen würde. Doch waren es nicht schon immer die Huren, die es verstanden haben, Männern zu gefallen und ihnen das zu geben, wovon sie heimlich träumten? Strapse gehören mit Sicherheit dazu. Genauso wie die modernere Variante, bestehend aus hauchdünnen Strümpfen und sexy Strumpfbändern. 

Ein Mann wird einer Frau nicht unter den Rock greifen, wenn er weiß, dass darunter eine schnöde Strumpfhose ist, die alles hermetisch unter Verschluss hält. Aber er wird es mit sinnlicher Erwartung tun, wenn es da diesen schmalen Streifen nackter Haut gibt, die erregt auf seine Erkundung wartet und sein Verlangen anwachsen lässt. Er wird sie berühren wollen, wo sie berührt werden will und es als einen Augenblick höchsten Genusses ansehen, wenn er daran geht, sie ganz langsam und genüsslich von ihren Hüllen zu befreien. Sie wird sich ihm mit jedem Handgriff ein wenig mehr offenbaren und er wird sie als ein Geschenk empfinden, das sich extra für ihn aufwendig verpackt hat und sich einzig und allein zu seinem Vergnügen präsentiert.

Gegen einen lustvollen Quickie ist natürlich nichts einzuwenden. Aber wahre Lust verlangt nach Sinnlichkeit. Sie entsteht beim erotischen Wechselspiel zwischen verbergen und enthüllen, andeuten und offenbaren, fühlen und spüren, nehmen und geben. Dabei ist es für so manchem Mann der höchste Genuss, wenn sie nackt und bereit für ihn ist, aber ihre Strümpfe und Strapse anbehalten hat. Oder, wenn ihre schmucken Strumpfbänder die natürliche Grenze bilden zwischen ihren schamhaft verhüllten Beinen und ihrer schamlos offenbarten Weiblichkeit. 

Es gibt natürlich Frauen, die nie etwas tun würden, nur um einem Mann zu gefallen. Aber die werden eben auch nie das erfahren, was ihnen ein Mann geben kann.