Mobilität: Strategien gegen den Stau

So ein eigenes Auto ist eine tolle Sache. Es wartet in der Garage, auf dem Parkplatz, am Straßenrand oder wo immer, bis es gebraucht wird. Und wenn, dann heißt es einfach einsteigen, losfahren ankommen. In der Theorie zumindest. Denn in der Praxis kann das völlig anders aussehen. Dann zum Beispiel, wenn alle anderen dasselbe Ziel haben und man sich in die Quere kommt. Das Ganze nennt sich dann Stau und viele von uns haben den zweifelhaften Spaß jeden Morgen.

Besonders die großen Städte und erst recht die Ballungsgebiete im Land stehen zweimal am Tag vor derselben Herausforderung. Tausende von Autos wollen morgens in die Stadt, um möglichst schnell ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Und abends geht es zum Sport, ins Kino oder nach Hause. Das ist zwar bequem im eigenen Auto. Aber manchmal auch recht zeitraubend und nervig. Denn oft dauert es länger, einen Parkplatz zu finden, als hin zu fahren. Und für ein paar Stunden parken zahlt man in manchen Städten mittlerweile genauso viel wie für einen BigMac mit Pommes.

Bus und Bahn sind eigentlich nur zweite Wahl

Alternativen? Ja, die gibt es. Man kann sich in die U-Bahn quetschen und die erste Stunde des Tages mit Leuten auf Tuchfühlung gehen, mit denen man eigentlich nichts zu tun haben will. Am Ende muss man dann noch zwanzig Minuten laufen, bis man endlich am Ziel ist. Und das auch, wenn es in Strömen regnet. Wenn man Glück hat, ist die nächste Haltestelle gleich an der Ecke und am Ziel sind es bis zum Büro auch nur ein paar Schritte. Aber wer hat schon so viel Glück?

Und dann diese Warterei. Wenn man auch nur einmal umsteigen muss, geht dafür pro Tag mindestens eine halbe Stunde drauf. Das sind zehn Stunden im Monat. Also ein ganzer Tag, den man eigentlich mit etwas Schöneren verbringen könnte. Da erscheint dann fast schon der tägliche Stau als die angenehmere Alternative.

Ein Autobauer denkt über Alternativen zum Auto nach

Genau diese Szenarien sind es, über die man auch bei VW nachgedacht hat. Genau genommen bei einem Unternehmen namens MOIA, das seit zwei Jahren zum VW-Konzern gehört. Was dabei herausgekommen ist, wird demnächst in Hannover getestet und soll schon bald in Hamburg im großen Stil an den Start gehen.

Was man von MOIA sehen wird, sind gelbe Busse, die ab Anfang 2019 im gesamten Großraum Hamburg unterwegs sein werden. Am Anfang sollen es 200 sein. Später denn bis zu 1000. Sie fahren kreuz und quer durch die Stadt und bringen die Fahrgäste direkt vom Start ans Ziel. Ohne Umsteigen und mit minimalen Wartezeiten. Auch Fahrpläne gibt es nicht und Haltestellen so viele, wie der ganze Hamburger Nahverkehr nicht aufzuweisen hat. Maximal 250 Meter sollen es zum nächsten Haltepunkt sein, verspricht das Unternehmen.

Wer sein Auto stehen lassen will und statt dessen bei MOIA anheuert, braucht nur eine App für sein Handy. Ruft er die auf, registriert sie automatisch, wo er sich grade befindet und zeigt sofort an, wo die nächste Haltestelle ist. Ansonsten heißt es nur, Zieladresse eingeben und warten, bis der nächste MOIA-Bus um die Ecke biegt.

Fast wie ein Taxi, weitaus bequemer als der ÖPNV

Der hat Platz für maximal 6 Personen und die sitzen nicht eingepfercht wie im Bus, sondern auf bequemen Einzelsitzen mit USB-Anschluss und üppiger Beinfreiheit. Und er kennt, wie gesagt, weder einen festen Fahrplan noch fährt er lediglich eine festgelegte Route ab. Er bringt einfach jeden Fahrgast da hin, wo er hin will. Ins Büro im Industriegebiet. Zum Sportstudio in der City. Zum abendlichen Date beim Italiener. Der Preis für diesen Komfort liegt im Mittelfeld zwischen dem öffentlichen Personennahverkehr und einem Taxi.

Die Intelligenz hinter MOIA ist eine Logistiksoftware, die es in sich hat. Gibt ein Fahrgast eine Zieladresse innerhalb der Region ein, rechnet die Software sofort aus, welches Fahrzeug gerade in der Nähe ist und in die gewünschte Richtung fährt. Das sorgt für minimale Wartezeiten und einen möglichst kurzen Weg zum Ziel. Gleichzeitig achtet die Software auf ein möglichst effektives Pooling. Denn das System arbeitet um so effektiver, je mehr Personen in einem Fahrzeug unterwegs sind. Auf dem Weg zu seinem Ziel kann es daher passieren, dass der Bus mehrmals anhält, um weitere Fahrgäste aufzunehmen, die in etwa in dieselbe Richtung wollen. Oder um einen Fahrgast aussteigen zu lassen, der sein Ziel erreicht hat.  

MOIA spricht dabei von dynamischer Routensteuerung. Für den Fahrer eines Busses zeigt sich das in Form eines Navigationsgeräts, das nicht einfach den Weg von A nach B anzeigt, sondern unterwegs durchaus mal seine Route ändert, um auf dem Weg einen weiteren Gast aufzunehmen.

Eine Variante der Mobilität von morgen

Zum Start des Fahrdienstes im Großraum Hamburg wird übrigens eine völlig neue Fahrzeuggeneration eingesetzt, die eigens für MOIA entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um sehr komfortabel ausgestattete Kleinbusse mit nur 6 Sitzplätzen, die mit einem Elektroantrieb ausgestattet sind. Die Batterie soll für rund 300 km gut sein, wobei das Logistiksystem den Ladezustand der Batterie in jedem Fahrzeug überwacht und bei Bedarf eine Fahrt zur nächsten Ladestation einplant. Nach Möglichkeit wird dieser Ladestop mit einer ohnehin anstehenden Pause des Fahrers verbunden, so dass automatisch dessen gesetzlich vorgeschriebenen Lenkzeiten eingehalten werden.

MOIA plant, dieses Mobilitätskonzept zunächst in den großen Ballungszentren Deutschlands einzuführen. Später ist dann eine Einführung in ganz Europa geplant, bevor das System global geht und die gelben Busse auch in Mexico City, New York und Rio da Straßenbild beherrschen werden.

MOIA sieht das Konzept weniger als Konkurrenz zum öffentlichen Personennahverkehr, sondern als eine Lösung, die einerseits das Taxi und andererseits den privaten PKW ersetzen soll. Auch VW möchte natürlich Autos verkaufen, doch in den großen Ballungsgebieten macht Auto fahren schon lange keinen Spaß mehr und für die kleinen täglichen Fahrten ist die Lösung durchaus interessant.
Denn irgendwie hat es noch nie wirklich Sinn gemacht, sich für einen immerhin fünfstelligen Betrag ein Auto zu kaufen, das die meiste Zeit nur parkt, um für wenige Minuten am Tag fahrbereit zu sein.

MOIA wird vermutlich zunächst zahlreiche Zweitwagen ersetzen, bevor immer mehr Menschen im urbanen Bereich auf den Gedanken kommen, dass man ein eigenes Auto doch eigentlich gar nicht braucht. Für den damit verbundenen Kostenaufwand lassen sich auch intelligentere Mobilitätslösungen nutzen. Eine davon kann durchaus der Miet- oder Carsharing-Wagen sein, den man sich holt, wenn es etwas zu Transportieren gibt. Oder wenn eine Reise aufs Land ansteht.