Ich bin dann mal offline

Es gab eine Zeit, da ging man zur Arbeit und danach war Feierabend. Musste man länger bleiben, waren eben Überstunden angesagt. Im Urlaub war man schlicht und einfach nicht erreichbar und kein Chef hätte es gewagt, einem am Wochenende zu stören. Heute erscheint uns das so altmodisch wie Schreibmaschine und Faxgerät. Denn wir sind stolz darauf, jederzeit und überall erreichbar zu sein. Wir checken unsere eMails schon beim Frühstück, haben Kontakte, Termine und To-do-Liste immer dabei und fühlen uns unheimlich effizient, wenn wir die Zeit im morgendlichen Stau dazu nutzen, schon mal die ersten Anrufe zu erledigen.

Keine Frage, das allgegenwärtige Internet hat unser Leben gründlich verändert und das hat durchaus seine positiven Seiten. Man muss keine Zeitung mehr kaufen, deren Inhalt schon einen Tag alt ist, sondern liest das Neueste brandaktuell im Online-Nachrichtenticker. Man kann den Notebook aufklappen und den ICE, die Lounge oder das Hotelzimmer kurzerhand zum Büro machen. Man kann überall und jederzeit Musik hören, Filme sehen und Bücher lesen und braucht dafür lediglich ein Gerät, das in jede Tasche passt.

Doch wie bei jeder technischen Veränderung liegen Segen und Fluch eng beieinander.

Der Segen ist ein deutliches Mehr an Flexibilität, Freiheit und Unabhängigkeit. Der Fluch besteht darin, dass wir immer weniger Rückzugsräume haben. Weil ständig das Handy in unser Leben klingelt, laufend irgendwelche Nachrichten um unsere Aufmerksamkeit buhlen und sich die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben zunehmend auflösen.

Selbstbestimmung ist auch Zeitbestimmung

Unternehmer, Selbstständige und Freiberufler hatten schon immer mit dem Problem zu kämpfen, Berufs- und Privatleben auseinander zu halten. Für die meisten Angestellten ist die Situation noch recht neu und sie müssen erst noch lernen, selbst die Kontrolle über ihr Leben zu übernehmen. Denn wer seine Work-Live-Balance nicht auf die Reihe bekommt, wird früher oder später von der Natur ausgebremst werden. Dann nämlich, wenn die Psyche Alarm schlägt und der Arzt ein Burnout-Syndrom diagnostiziert. Oder wenn der vernachlässigte Körper am Ende ist und mit Herzinfarkt reagiert.

Konnte man früher schon aus technischen Gründen nur da telefonieren, wo es ein Telefon gab, muss man heute selbst bestimmen, wann man für wen erreichbar sein will. War früher die Arbeit an einen bestimmten Arbeitsplatz gebunden, muss man heute selbst entscheiden, wann der Notebook besser zugeklappt bleibt. Wenn man es nicht tut, darf man sich auch nicht wundern, wenn man ein zunehmend fremdbestimmtes Leben führt, dessen Rhythmus von anderen bestimmt wird, während man für sich selbst irgendwie nie Zeit findet.

Zeit hat man nämlich nicht. Zeit muss man sich nehmen.

Denn Zeit ist zwar ein absolut gerecht verteiltes Gut, von dem jeder von uns ganze 24 Stunden am Tag zur Verfügung hat. Aber unsere vernetzte Welt hat es auch vielen Zeiträubern einfach gemacht, uns einen großen Teil davon zu stehlen. Da wollen unzählige eMails gelesen werden, von denen nur ein Bruchteil wirklich von Bedeutung ist. Zu den Freunden aus dem realen Leben kommt ein Mehrfaches an virtuellen Kontakten, die uns per Facebook, Twitter, WhatsUp & Co mit ihren mehr oder weniger bedeutungsvollen Mitteilungen überschwemmen. Und dann gibt es da noch die Kunden, Kollegen und Geschäftspartner, die ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass man flexibel ist und jederzeit reagieren kann.

Das Ganze läuft auf Fremdbestimmung hinaus. Auf mehrere Stunden am Tag, die dem eigenen Zeitkonto fehlen. Auf vergeudete Zeit, die einfach so geraubt, vertrödelt und an andere verschenkt wurde. Auf Zeit, die man wiedergewinnen kann, wenn man sein Leben selbst in die Hand nimmt und über seine eigenen 24 Stunden selbst entscheidet.

Die Vorteile nutzen, die Nachteile vermeiden

Notebook, Tablet und Smartphone sind aus unserem Leben ohnehin nicht mehr wegzudenken. Auch macht es wenig Sinn, sie aus dem eigenen Leben zu verbannen. Für die meisten von uns ist es sogar völlig unmöglich. Doch all diese Gadgets haben auch eine Taste zum Ausschalten und man hat es selbst in der Hand, ob sie das eigene Leben eher positiv oder negativ beeinflussen.

Wenn ich zum Beispiel mal wieder auf meine Freundin warten muss, weil Frauen eben immer ein wenig länger brauchen, nutze ich heute die Zeit, um einen Blick auf die aktuellsten Nachrichten zu werfen und den einen oder anderen Artikel zu lesen. Bei der Gelegenheit kann ich auch schon mal die Mailbox von allem Schrott befreien. Oder ich lese ein weiteres Kapitel in einem Buch, das ich in Papierform garantiert nicht dabei gehabt hätte.
Seitdem ich eines dieser superflachen Ultrabooks habe, die endlich genügend Akkukapazität bieten, um damit vernünftig arbeiten zu können, fahre ich auch öfter mal mit dem Zug zu einem Kundentermin. Das ist nicht nur bequemer als stundenlang das Auto über die stressige Autobahn zu lenken. Es erlaubt mir auch,bisher ungenutzte Reisezeit in produktive Arbeitszeit zu verwandeln. Auf diese Weise habe ich schon so manchen Artikel auf dem Heimweg vom Briefing geschrieben und dadurch glatt einen halben Tag Zeit gewonnen. Zeit, die ich schon für den nächsten Auftrag zur Verfügung hatte, oder die ich mir einfach selbst nehmen konnte.

Auch sehe ich es ganz klar als einen Vorteil an, nicht nur im Büro telefonieren zu können, sondern wo immer ich gerade bin. Das gibt mir zum Beispiel die Freiheit, spontan eine Runde mit dem Bike drehen zu können, ohne dass dabei ein Anruf ins Leere klingelt. Aber ich weigere mich, jederzeit und überall erreichbar zu sein. Deshalb publiziere ich ausschließlich meine Festnetz-Nummer und schalte die Rufumleitung ein, wenn mich Anrufe auf dem Smartphone verfolgen sollen.

Denn zur Freiheit der neuen Technikwelt gehört auch die Freiheit, auszuschalten.