Dating in Zeiten von Corona

Restaurants, Kneipen und Cafés sind seit Monaten dicht oder halten nur unter untragbaren Bedingungen den Betrieb aufrecht. Die meisten Clubs und Discos sind vermutlich längst schon pleite und die Veranstaltungsszene ist tot. Von Sinn und Unsinn all der widersprüchlichen Maßnahmen soll hier aber nicht die Rede sein. Es geht darum, wie Paarungswillige zusammenfinden, wenn sie sich eigentlich nirgends mehr treffen können. 

Wer auf Partnersuche war, hatte bisher im wesentlichen nur zwei Möglichkeiten. Entweder er stürzte sich in die lokale Szene und hoffte auf die zufällige Begegnung mit jemand, bei dem sich gemeinsame Schwingungen zeigten. Oder er ging ins Internet und ließ sich vom Computer-Algorithmus eines Dating-Portals vorschlagen, wer vermutlich zur eigenen Persönlichkeit und den eigenen Vorstellungen passte. Der analoge Weg ist momentan weitgehend verstellt oder zumindest ganz erheblich behindert. Bleibt also noch Online-Dating.

Bisher lief Online-Dating ja so ab: Man wühlte sich durch die überwältigende Bilderwelt, klickte an, was dem Auge gefiel und schrieb der Person ein paar Zeilen. Bei gegenseitigem Interesse entstand daraus zunächst ein Online-Dialog, irgendwann telefonierte man miteinander und am Ende stand das erste Date in der realen Welt. Genau das aber bringt uns wieder zurück zu der Problematik, die uns die Politik unter dem Vorwand Corona eingebrockt hat. 

Während meiner eigenen Online-Dating-Zeit vor gut einem Jahrzehnt galt ja die eiserne Regel, das erste Date unbedingt auf neutralem Boden stattfinden zu lassen. Besonders für Frauen war das der sichere Weg, denn sie hatten ja keine Ahnung, mit was für einem Kerl sie sich da einließen und das erste abendliche Dinner war eine hervorragende Gelegenheit, den interessierten Herrn zu beschnuppern und aus nächster Nähe kennenzulernen. Ich habe zwar trotzdem Frauen erlebt, die direkt zu mir zu Hause kamen, aber ich bin ja auch ein harmloser Typ und das haben sie offensichtlich schon am Telefon gemerkt. 

Doch wie gesagt, momentan ist alles nicht so, wie es sein sollte und weder ein Treffen in irgend einem Café noch ein gemeinsames Dinner lässt sich heute mal einfach so vereinbaren. Außerdem macht es wirklich keinen Spaß, einer Frau mit Maske gegenüber zu sitzen und auch sie hätte wohl lieber das vollständige Gesicht des Mannes gesehen, mit dem sie sich eingelassen hatte. 

Bleibt also nur noch die Frage: „Bei mir oder bei dir?“ Normalerweise ist die ja erst fällig, wenn beide schon bereit und willig sind und sich nur noch über den Austragungsort einigen müssen. Aber in ungewöhnlichen Zeiten muss man eben zu außergewöhnlichen Lösungen greifen. Und das ganz gleich, wer hier welches Risiko eingeht. 

Ein Risiko bleibt zumindest dank Corona vorläufig außen vor und das trifft in aller Regel die Frauen. Sie müssen sich jetzt nämlich derzeit keine Gedanken mehr machen, ob es sich bei dem Dating-Partner wirklich um einen Mann handelt, der eine Beziehung sucht, oder ob es lediglich ein fremdgehender Ehemann mit Familie ist, der auf eine aufregende Abwechslung hofft. Der hat sich nämlich bisher meist unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in irgend einem Hotel mit ihr getroffen und so getan, als wäre er ein viel beschäftigter Businessman, der nur gelegentlich in der Stadt ist und sich endlich Zeit nehmen will, um die Frau des Lebens zu treffen. 

Bei mir oder bei dir ist jedoch nicht nur eine Frage der Örtlichkeit. Es ist auch eine Frage der Programmgestaltung. Natürlich kann er schnell den Pizzaservice kommen lassen und eine Flasche italienischen Roten auf den Tisch stellen. Aber einfallsreich ist das nicht und als Frau würde ich einem solchen Langweiler gleich mal drei Punkte Abzug geben. Kreative Männer sind nämlich anders und lassen sich gerne etwas einfallen, um Eindruck zu schinden und ein möglichst gutes Bild von sich abzugeben. 

Da vor allem die Neurotikerinnen aus der Großstadt nicht mehr kochen können, hat er zumindest die Chance, sich als engagierter Hobbykoch zu präsentieren und ihr eine fantasievolle Kreation aus eigener Fertigung zu servieren. Frauen mögen nämlich Männer die kochen können. Zumindest sind sie ihnen lieber als die Typen, die direkt von Mamas Küche in den Full Service einer Partnerin wechseln wollen. Das mag zwar die eigentliche Absicht sein, aber man muss es ja nicht gleich am Anfang deutlich machen. 

Eine erlebnisreiche Variante ist auch der Vorschlag, gemeinsam zu kochen und das Ergebnis dann als festliches Dinner for Two zu genießen. Allerdings klappt das natürlich nur mit einer Partnerin, die mehr drauf hat, als ein paar Nudeln in den Topf zu werfen und den Inhalt einer Dose dazu zu geben. Aber für den einen oder anderen Mann wäre ja gerade das die erste Prüfung, die sie bestehen muss, um überhaupt in die nähere Auswahl zu kommen. Eine Frau, die auf gutes Essen keinen wert legt, ist mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Bett nicht die große Genießerin und hat vermutlich noch nie etwas anderes als die Missionarsstellung praktiziert. Fordere sie zum Blowjob auf und sie wird die Fliege machen. Lebe selbst die Zunge an und sie wird peinlich berührt sein. Nehme sie von hinten und sie wird es für nuttig halten. All das ist schon passiert und spricht für eine Frau, mit der Mann wohl nicht allzu viel Spaß haben wird.

Aber wir greifen vor. Zwischen Dinner und Bett gibt es schließlich noch ein paar Dinge, die ebenfalls organisiert werden wollen, damit ein richtiges Date aus dem Abend wird. Im Restaurant würde man sich zwischen den einzelnen Gängen einfach in die Augen sehen und ein mehr oder weniger lockeres Gespräch führen, bei dem sich irgendwann wie bei einem Puzzle tausend Eindrücke zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Es soll sogar Leute geben, die dabei einen regelrechten Fragenkatalog im Hinterkopf haben, der Punkt für Punkt abgearbeitet werden will. Andere überlassen den Verlauf des Abends einfach dem Zufall und überlegen erst auf der Heimfahrt, welchen Eindruck der Abend auf sie gemacht hat. 

Dasselbe würde auch passieren, wenn man nach dem Dinner einfach am Tisch sitzen bleibt und den restlichen Wein trinkt, während man sich im Gespräch näher kennenlernt. Doch die eigene Wohnung ist eigentlich ein Standortvorteil, der sich gezielt nutzen lässt. Und sie vermittelt Eindrücke, die sich im Restaurant in der Kneipe oder im Café nie ergeben hätten. 

Eine Wohnung oder ein Haus spiegelt immer auch die Persönlichkeit des hier Wohnenden wider. Legt er wert auf eine geschmackvolle Umgebung oder ist er eher der pragmatische Typ, dem es allein auf Funktionalität ankommt? Ist Ihre Wohnung ein Zuhause mit Wohlfühl-Ambiente oder spürt man, dass sie die meiste Zeit unterwegs ist und sich hier eigentlich nur zwischendurch aufhält? Wirkt das Interieur wie aus einem Guss oder ist es eher eine willkürliche Kombination von Möbelstücken, die eigentlich nicht zusammen gehören? Handelt es sich um einen Menschen, der sich hier häuslich eingerichtet hat und daran auch so schnell nichts änder wird, oder ist diese Adresse nur als Provisorium gedacht, bis sich etwas Endgültiges gefunden hat?

Ein Auto kauft man sich einfach und wählt dabei das Modell aus, das einem gefällt oder das dem gewünschten Image entspricht. Auch das sagt etwas aus, aber es ist noch lange nicht der intime Eindruck, den die vier Wände hinterlassen, in denen man täglich das tut, was man Wohnen nennt. Nutze also die Chance und seh dich genau um. Was gibt es hier zu sehen? Was wirft Fragen auf? Wo sind Gemeinsamkeiten zu erkennen und wo zeigt sich die Spannung der Gegensätze? So ein Home Screening liefert nicht nur unerschöpflichen Gesprächsstoff. Es verschafft auch weit tiefere Einblicke als jedes Date auf neutralem Gelände.

Doch irgendwann ist jedes Date zu Ende. Hat man sich irgendwo in der Stadt getroffen, bleibt an dieser Stelle nur noch die Trennung, die je nach Verlauf des Abends distanziert neutral oder herzlich verlaufen kann. Richtige Männer bieten der Dame natürlich an, sie nach Hause zu fahren, ein Taxi zu rufen oder sie zumindest bis zur Haltestelle zu begleiten. Ein „Zu mir oder zu dir?“ dürfte nach dem ersten Date eher die Ausnahme sein. Schließlich will sie ja nicht den falschen Eindruck erwecken und er will tunlichst vermeiden, dass sie denkt, er wolle nur „das eine“. Die Frage aller Fragen steht daher frühestens beim zweiten Date an.

Ganz anders sieht es aus, wenn die Beiden sich näher gekommen sind und das Bett gleich nebenan steht. Besonders wenn ordentlich Alkohol im Spiel war, macht sich jetzt der Standortvorteil bemerkbar. Nach Hause fahren kann er sie ja nach der dritten Flasche nicht mehr. Und auch sie sollte ihr Auto lieber stehen lassen, wenn sie damit gekommen war. Also zeigt er sich als guter Gastgeber und bietet der Dame ein bequemes Bett für die Nacht an. Ob es eine gemeinsame Nacht wird, muss die Situation entscheiden. 

Aber schließlich hat schon so manche dauerhafte Beziehung mit einem sinnlichen Spiel im Alkoholnebel begonnen, weil es sich eben so ergeben hat. 


Online-Dating - so lernt man sich heute kennen: Das Buch von Steffen Wolfrath ist Erfahrungsbericht, Analyse und Reportage zugleich. Der Autor greift dabei auf eine eigene Lebensphase zurück, in der er drei Jahre lang in der Dating-Szene unterwegs war. Er hat sich seinerzeit mit über hundert Frauen getroffen und beschreibt diese Zeit als die interessanteste Erfahrung seines Lebens. Als kommunikativer Mensch wollte er natürlich all seine Erkenntnisse nicht für sich behalten und hat daraus ein eBook gemacht, das seinen Lesern viele schlechte Erfahrungen ersparen dürfte. Denn Online-Dating hat seine ganz eigene Dynamik und wer die Spielregeln kennt, muss die Fehler nicht erst machen, die andere schon längst hinter sich haben.