Eine unnütze Branche stirbt aus

Es ist Herbst. In Frankfurt ist Buchmesse. Wieder einmal haben die Verlage große oder kleinere Stände aufgebaut und alle reden vom Kulturgut Buch, das unbedingt erhalten werden muss. Zum Beispiel durch die Preisbindung und eine besonders niedrige Umsatzsteuer. Ich frage mich jedoch, weshalb ich für Kultur überhaupt Umsatzsteuer zahlen muss. Weshalb will der Staat an etwas verdienen, das er eigentlich fördern, erhalten und schützen will?

Ach ja, ich habe da etwas übersehen. Ein Buch ist ja nicht nur Kultur. Es ist auch Big Business. Von den preisgebundenen 20 Euro bekommt nämlich der Kulturschaffende, also der Autor am allerwenigsten. Ja er bekommt meist gerade mal die Hälfte von dem, was Staat für sich beansprucht. Den Löwenanteil schluckt der Verlag. Nach ihm kommt der Buchhändler. Und der Rest geht für Druck, Transport und Logistik drauf.

So gesehen ist es verständlich, dass in erster Linie die Verlage um die Kultur besorgt sind. Doch sie sorgen sich nicht um das, was eigentlich ein Buch ausmacht, den Inhalt also, die geistige Substanz und damit Diejenigen in deren Köpfen sie entstanden ist. Die Verlage haben vor allem das Problem, dass sich die Umsätze ständig nach unten bewegen und man kein Ende dieses Trends absehen kann. Den geistigen Urhebern ihrer Werke sind Verlage nämlich schon immer ziemlich geringschätzig begegnet. Was übrigens nicht nur auf Buchverlage zutrifft. Auch Zeitungsverlagen interessieren sich herzlich wenig für diejenigen, die tagtäglich ihre Seiten mit Nachrichten und Kommentaren füllen. Sie werden einfach mit ein paar Cent Zeilenhonorar abgespeist und gut ist.

Es ist also ziemlich heuchlerisch, wenn sich ausgerechnet die Verlagswelt für das Urheberrecht stark macht. Genauso heuchlerisch wie eine bekannte Anwaltskanzlei aus München, die sich als Kämpfer für das Urheberrecht ins Rampenlicht hebt, in Wirklichkeit aber nur ein Geschäftsmodell daraus gemacht hat, die großen Musik- und Filmverlagen vor "Raubkopien" zu schützen. Denn auch hier geht es nicht um die Urheber, sondern lediglich um die Verwerter und deren Umsätze.

Das Urheberrecht liegt nämlich einzig und allein bei den Autoren eines Buches oder Drehbuchs. Oder bei den Komponisten eines Musikstücks. Was die Verlage meinen, ist lediglich das Veröffentlichungsrecht. Nur das besitzen sie. Und nur damit verdienen sie ihr Geld.

Doch genau dieses Veröffentlichungsrecht ist in unseren Zeiten der Digitalisierung immer weniger wert. Weil geistige Inhalte heute nicht mehr auf Papier gedruckt, in Vinyl gepresst oder auf eine CD gebrannt werden müssen. Inhalte - oder Content, um den mittlerweile gängigeren Ausdruck zu verwenden - sind heute nicht mehr an einen bestimmten Datenträger gebunden, den man erst herstellen muss und dann verkaufen kann. Sie haben sich in digitale Daten aufgelöst und sind immateriell geworden. Und digitale Inhalte lassen sich ohne irgendwelche Verluste kopieren, tauschen und beliebig oft vervielfältigen.

Was zur Folge hat, dass die Verlage mittlerweile längst nicht mehr die Machtposition besitzen, an die sie sich über Jahrhunderte gewöhnt haben. Ihre Funktion braucht eigentlich keiner mehr. Ihre Produkte sind schlicht und einfach überflüssig geworden. Ihre Veröffentlichungsrechte haben zwar noch eine juristische Bedeutung, aber in der Praxis kann sie jeder aushebeln, der sich ein wenig mit der Technik auskennt. Daran werden auf Dauer auch Abmahnanwälte nichts ändern können.

Ich sehe das durchaus als eine positive Entwicklung. Verlage erzeugen nämlich keinen wesentlichen Mehrwert. Sie sind lediglich Geldmaschinen, die darauf aufgebaut sind, das geistige Eigentum anderer Menschen auszubeuten und möglichst umfassend zu "verwerten". Bisher trugen sie dabei zumindest noch ein wirtschaftliches Risiko, denn die Veröffentlichung eines Werkes war mit nicht unerheblichen Kosten für Produktion und Marketing verbunden, die erst einmal eingespielt werden wollten.

Mit dem Internet und der damit verbundenen Digitalisierung von Inhalten fallen jedoch solche Kosten weitgehend weg. Was jedoch die Musikverlage bisher nicht daran gehindert hat, für das Herunterladen einer CD denselben Preis zu verlangen, wie man auch im Laden dafür bezahlen muss. Und von den Buchverlagen ist ein eBook kaum billiger zu haben als seine gedruckte Variante.

Ich meine, auf solche Parasiten kann die Menschheit gut verzichten. Genauso wie auf gedruckte Bücher, die man nur einmal liest, um sie dann jahrzehntelang sinnlos im Regal stehen zu haben. Statt dessen macht es mehr Sinn, wenn der Autor allein an seinem geistigen Eigentum verdient, anstatt die Veröffentlichungsrechte und damit den Löwenanteil des Gewinns an einen Verlag abtreten zu müssen. Und es ist logischer, ein Buch als das zu sehen, was es eigentlich ist: ein Medium. Und das hat eben ausgedient und wurde von neuen Medien ersetzt. Zuerst war es die CD und DVD. Heute ist es nur noch eine Datei, die auf einem Notebook, einem Tablet, einem Smartphone oder einem eBook-Reader lagert.

Die Verlage klammern sich zwar noch verzweifelt an ihr altes Geschäftsmodell und sie zelebrieren sich jedes Jahr mit großem Getöse auf der Buchmesse. Doch es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Messehallen in Frankfurt und Leipzig leer bleiben. Denn für digitale Produkte braucht man keine Regale. Weder im Buchladen noch zu Hause. Und, wie gesagt, man braucht auch keine Verlage.

Wer als Autor die Zeichen der Zeit erkannt hat, ist ohnehin nicht mehr im Buchhandel zu finden, sondern bei den zahlreichen eBook-Portalen bis hin zu Amazon.