Wer hier emanzipiert ist, ist die große Frage

Schon früher heiratete Mann entweder aus Liebe oder aus Berechnung. Aber er heiratete nur einmal im Leben und was danach kam, war bereits fest vorgezeichnet. Denn die Biologie ließ sich nicht überlisten und die stürmische Liebe der Frischvermählten führte unweigerlich zur ersten Schwangerschaft. Irgendwann beherrschte eine Kinderschar das Leben, das einst begehrte Weib mutierte zur Mutter und die Liebe blieb auf der Strecke. Denn die Schönheit war vergangen und die Lust war versiegt. Dennoch hielt Mann den Status aufrecht, denn ein Seitensprung hieß Ehebruch und der galt als höchst unmoralisch. Eine Scheidung führte zu gesellschaftlicher Ächtung und war das Aus für Ansehen und Karriere.

Auch heute gibt es noch Frauen, die an die uralten Regeln glauben. Nicht wenige von ihnen meinen nach wie vor, ihn vor dem Traualtar ewig an sich fesseln zu können. Und sie versuchen, mit ein, zwei Kindern seine Abhängigkeit zu zementieren. Doch diese Strategie geht schon lange nicht mehr auf. Die Sehnsucht nach dem Mann fürs Leben ist zur Illusion geworden. Denn Gesellschaft und Moral verlangen heute nicht mehr ewige Treue, sondern bestenfalls serielle Monogamie.

Die traditionelle Frau jagt also einem Ideal nach, das es in dieser Form längst nicht mehr gibt. Die moderne Frau hingegen ist emanzipiert. Sie sucht nicht die ewige Liebe, Treue, Bindung und Abhängigkeit. Sie will auch nicht Hausfrau und Mutter sein. Und sie will vor allem auf keinen Mann angewiesen sein. Schließlich hat sie einen eigenen Beruf, verdient eigenes Geld und braucht somit keinen Versorger, der sie aushält. Und wenn sich der Mutterinstinkt einstellt, kann sie ihr Kind zur Not auch selbst aufziehen.

Doch wenn man näher hinsieht, ist es eigentlich nicht die Frau, die sich emanzipiert hat, sondern der Mann. Liebt er vor allem die Bequemlichkeit und ein Weib, das ihn rundum versorgt, wird er die Gesuchte auch weiterhin finden. Aber er wird sich nicht mehr für alle Ewigkeit an sie gebunden fühlen. Denn Jawort, Hochzeit und Ehe sind schon lange kein Muss mehr. Und wenn, dann geht es eher um einen Vertrag auf Zeit als einen Bund fürs Leben.

Sucht er eher die Lust am Leben und den Genuss des Augenblicks, ist eine Frau mit Beruf, Karriere, und eigenem Bankkonto genau das Richtige für ihn. Und ihm stehen tausend Lebensformen offen, aus denen er sich die Variante heraussuchen kann, die am besten passt. Vielleicht zieht er mit ihr zusammen, um Bett und Leben mit ihr zu teilen. Vielleicht lebt auch jeder weiter sein eigenes Leben und das Wir findet nur am Wochenende statt. Oder es wird einfach eine Beziehung zwischen Yin und Yang, Lieben und Begehren, Extase und Zärtlichkeit, Anziehen und Abstoßen – solange der Zustand anhält und die Anziehungskraft besteht.

Alles in allem ist dabei meist der Mann stets im Vorteil. Seine Attraktivität bleibt bis ins hohe Alter erhalten, während sie sich verdammt anstrengen muss, um möglichst lange begehrenswert zu bleiben. Denn ein Mann mit grauen Schläfen ist immer noch interessant. Eine Frau mit grauem Haar hingegen einfach nur alt. Er mag vielleicht Kinder und sein Sohn ist sein ganzer Stolz. Doch er ist in ihrem Bauch herangewachsen, hat an ihrer Lebenskraft gezehrt und dabei an ihrem Körper bleibende Spuren hinterlassen. Am Ende wird sie es sein, die ihn aufzieht während er sich nur an den Kosten beteiligt.

Als Kirche und Gesellschaft noch die Regeln des Lebens bestimmten, war der Mann eigentlich ein ziemlich armseliges Wesen. Begehrte er eine Frau, musste er sie heiraten, um nach einer kurzen Phase der Glückseligkeit ein Leben lang für sie sorgen zu müssen. Er trug die Verantwortung und er finanzierte das Leben aller, die unter seinem Dach lebten. Sie genoss nicht nur wirtschaftliche Sicherheit. Sie musste sich auch nicht weiter anstrengen, um seine Gunst zu erhalten. Denn eine Ehefrau mochte zwar nicht mehr begehrenswert sein. Sie war dennoch eine Klette, die ein Mann nie los wurde.

So gesehen hat die Frau viel aufgegeben, um eine Freiheit zu erlangen, die sie sich am Ende sogar noch selbst finanzieren muss. Er hingegen hat Zwänge und Verpflichtungen abgeworfen und eine Freiheit erlangt, von der seine Vorfahren nur träumen konnten.

Man kann es nämlich auch anders herum sehen und schon erhält Emanzipation eine völlig andere Bedeutung.